Eine Anthologie von Zitaten über drei Generationen von Deutschen

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Bündnis für Demokratie und Toleranz

"Hinter uns liegt eine Vergangenheit, die nicht vergehen will"

„Jede nachfolgende Generation in Deutschland muss ihr Verhältnis zur eigenen leidvollen Geschichte und zur Schuld ihrer Väter neu erarbeiten“, schreibt Konrad Görg in der Einleitung von „Wir sind, was wir erinnern“. Er ist der Herausgeber dieses besonderen Bandes, der persönliches Schicksal, Geschichte und Literatur verbindet. In einer einzigartigen Zitatsammlung zeichnet Görg in weitem Bogen die Geschichte der Judenverfolgung, ihrer geistigen Wegbereiter und ihrer Gegner nach. Durch die Auswahl der Zitate treffen Täter und Opfer, Zeitzeugen und analytische Beobachter verschiedener Zeiten aufeinander und treten in einen Dialog. Der Band macht so die Licht- und Schattenseiten deutscher Kultur lebendig und zeigt, wie groß die Bedeutung von Geschichte für die Gegenwart ist.

Für die zweite Auflage, die im Dezember 2009 erschienen ist, steuerte der Philosoph und Friedenskämpfer Horst-Eberhard Richter ein persönliches Geleitwort bei. Der Historiker und Soziologe Erhard Roy Wiehn verfasste das Vorwort des Bandes. Konrad Görg selbst ist Internist und am Universitätsklinikum Marburg tätig. Die Beschäftigung mit Nationalsozialismus und Antisemitismus begann für ihn in seiner Freizeit, durch Gespräche mit seinem langjährigen Freund Petr Abeles. Gewidmet ist das Buch ihm und dessen Onkel Erwin Katz, der im Alter von 10 Jahren in Auschwitz vergast worden ist.

„Wie kann und darf sich ein Nachgeborener der Täter- generation, der sich nicht wissenschaftlich mit dem Holocaust beschäftigt hat, dem ´Abgrund der Geschichte` (Paul Valéry) nähern?“ fragt Görg in seiner Einleitung.

Er beantwortet diese Frage, in dem er die vielen verschiedenen Stimmen als Chor gegen- und nebeneinander auftreten lässt. Der Anspruch des Bandes ist nach Aussage des Herausgebers weder erschöpfend noch wissenschaftlich. Ungeachtet dessen ist es ihm gelungen, ebendiese Stimmenvielfalt so anzuordnen, dass die heterogene Geistesgeschichte und die vielen Einzelschicksale zu einem ergreifenden Bild verschmelzen.

Die Geschichte des jungen Erwin Katz eröffnet den Band und bereitet den Weg für einen chronologisch und thematisch strukturierten Kanon, der die verschiedenen Stationen des Nationalsozialismus beleuchtet. Hier schließt der Herausgeber aber nicht ab: Die Aufarbeitung des Holocaust auf der Täter- und Opferseite nehmen einen bedeutenden Teil der Anthologie ein. Die existentiellen Fragen, die sich nach dem Zivilisationsbruch im Dritten Reich stellen, werden von verschiedenen Seiten beschrieben. In den Antworten klingen gleichzeitig immer auch Perspektiven für die Zukunft an.

Denn „Wir sind, was wir erinnern“ ist auch und gerade ein Buch für die „nachgeborenen“ Generationen. Ein Durchlesen „von vorn nach hinten“ bietet sich zwar nicht an, dafür lädt der Band zum Blättern und Verweilen ein. Die Lektüre macht dem Leser ein ganz besonderes Angebot: Die innere Feigheit zu überwinden und sich einen persönlichen Zugang zu diesem dunkelsten Kapitel europäischer Geschichte zu erarbeiten.

Bündnis für Demokratie und Toleranz
Gegen Extremismus und Gewalt, 1/2010